Wenn Gott das Pferd nicht erfunden hätte, hätten es die Iren für ihn getan!», lautet eine irische Weisheit. Denn Irland ist in der ganzen Welt bekannt als Pferdeland, die Grüne Insel bietet die idealen geologischen und klimatischen Voraussetzungen für die Pferdezucht. Diese Vorzüge haben auch Schweizer Vollblutzüchter für sich entdeckt. Bereits vor über 50 Jahren gründete der Zürcher Industrielle Walter Haefner das Moyglare-Gestüt, wo unter anderem die erfolgreichen Rennpferde und Deckhengste wie Brief Truce, Go And Go oder Refuse To Bend das Licht der Welt erblickten. Auch der Automobilhändler und Gestütsbesitzer Jörg Vasicek feiert mit seinen Rennpferden aus Irland Erfolge auf höchster Ebene. Sein aktueller Star, die Stute La Collina, macht Schlagzeilen in den Rennsportmedien. Für hohes Ansehen der Auslandschweizer Rennpferdezüchter sorgt auch die Bernerin Mariann Kläy.
Perfekte Infrastruktur
Die Tierärztin aus Münchenbuchsee lebt seit 15 Jahren auf der Grünen Insel und führt mit ihrem Ehemann Des Leadon ihr «kleines aber feines» Swordlestown-Little-Gestüt. Mariann und Des, Chefpathologe am Irish Equine Center und Beauftragter der Europäischen und Irischen Vollblutzuchtverbände, bilden ein perfektes Team und können auf eine bislang aussergewöhnlich erfolgreiche Züchterkarriere zurückblicken.
1998 ersteigerten die beiden Veterinäre ein Grundstück im County Kildare, dem Herzen des irischen Pferderennsports. «Ausser einer Heuscheune und vor sich hin rostenden Maschinen stand hier gar nichts», erinnert sich Mariann, «wir haben drei Jahre lang die Infrastruktur für unseren Zuchtbetrieb aufgebaut.» Zur Farm, die heute eine gleich grosse Fläche wie die Aargauer Gemeinde Kaiserstuhl aufweist, gehören ein Longierzirkel, ein Sandpaddock, Quarantäneställe, riesige Weiden, das Wohnhaus und ein Stall mit «fohlenfreundlichen» Boxen, die mit Schnupperfenstern ausgestattet sind; sogar ein Untersuchungsstand für werdende Mütter steht zur Verfügung. «Beim Planen unseres Betriebs versuchte ich ein möglichst ausgeklügeltes System umzusetzen, das mir erlaubt, alleine auf der Farm zu arbeiten», erklärt Mariann, die 1995 ihr Studium in Bern abschloss und ein Diplom des Londoner Royal College of Veterinary Surgeons vorweisen kann.
Dem Rennsport- und Züchtervirus ist Mariann schon als kleines Kind erlegen. Als Sechsjährige bestritt sie bereits Ponyrennen, einige Jahre später züchtete sie ihr eigenes Pony und mit 16 sass sie als Amateurreiterin für Schweizer Trainer wie Karl Klein und Hans Woop im Rennsattel. Den Grundstein für Marianns Passion legte Vater Richard Kläy. Der beliebte Schweizer Pferdezüchter wirkte viele Jahre als Starter auf den nationalen Pferderennbahnen und gehörte zu den Gründern der Vereinigung Schweizer Vollblutzüchter. Seinen Enthusiasmus vererbte Richard an Tochter Mariann, Schwester Kristin derweil schlug den Weg als Military-Reiterin ein. Seine Liebe zu Irland entdeckte der Teenager Mariann, als sie ihre Schwester Kristin besuchte, die einen Sprachaufenthalt im County Wicklow machte. Wenige Jahre später reiste sie erneut auf die Insel, um im Irischen Nationalgestüt den renommierten Thoroughbred-Breeding-Kurs zu absolvieren. Danach konnte die Schweizerin ihre neu erworbenen Kenntnisse bei der Arbeit im Gilltown Stud, einem der Gestüte Aga Khans, und im Waikato-Gestüt in Neuseeland vertiefen.
Zurück nach Irland
Das Reiten von Galoppern ist eine grosse Leidenschaft der Tierärztin. Nachdem sie mit Trainern in Frankreich, Australien und Neuseeland gearbeitete hatte, zog es sie wieder nach Irland, diesmal zu Johnny Oxx, einem der erfolgreichsten irischen Rennpferdecoachs. «Wir reiten auch heute noch jeden Morgen im Training mit», erzählt Mariann «oftmals Pferde, die wir selber gezüchtet haben.» Mister Oxx war es dann auch, der der jungen Tierärztin die Gelegenheit gab, ihr Veterinärwissen in seinem Stall anzuwenden. Davor aber kehrte Mariann in die Schweiz zurück, um ihr Tierarztstudium aufzunehmen und im Veterinärdepartement der FEI eine Assistenzstelle zu besetzen. Doch das Fernweh nach der «Emerald Isle» packte die junge Frau erneut und Mariann nahm neben ihrer Arbeit bei John Oxx eine Stelle in der angesehenen Pferde-klinik Troy-town in Kildare an. Dort wurde die Tierärztin mit dem Aufbau einer Intensivstation für neugeborene Fohlen betraut. Doch mit dem Erwerb des Swordlestown-Little-Gestüt beschloss Mariann, das Praktizieren aufzugeben und sich ganz der Farm zu widmen. Nebenbei bildete sie sich auf dem Gebiet der Fohlenbetreuung weiter und befasste sich mit der Erforschung des gefährlichen Rhodococcus-Equi-Virus.
Auf der rund 34 Hektaren grossen Farm bieten die beiden Tierärzte eine einzigartige Betreuung, die vom Auswählen des Deckhengstes bis zum Tag der Fohlen- oder Jährlingsauktion reicht. Dank der ausgezeichneten Beziehungen zu irischen und internationalen Zucht- und Rennsportgrössen hat sich das Ehepaar Kläy-Leadon ein optimales Netzwerk aufgebaut. Im Umkreis von wenigen Kilometern befinden sich die einflussreichsten Zuchtbetriebe: «Die Gestüte von Darley oder des Aga Khan sind in kurzer Zeit zur erreichen. So ist es möglich, eine Zuchtstute zu einem Deckhengst zu bringen und sie innerhalb einer Stunde wieder auf dem Hof zu haben, das erspart dem Tier unnötigen Stress», erklärt Mariann Kläy. Die Anwesenheit von gleich zwei Tierärzten auf einem verhältnismässig kleinen Gestüt – Mariann betreut zurzeit sechs Mutterstuten mit Nachwuchs – ist aussergewöhnlich und bietet nur Vorteile: «Während der Trächtigkeit und besonders beim Abfohlen ist ein schnelles Erkennen und Behandeln von auftretenden Schwierigkeiten wichtig», fügt die Tierärztin an.
Vorzüglich gepflegte Weiden
Über 40 Fohlen haben Mariann und Des seit dem Bestehen von Swordlestown Little auf die Welt gebracht.
Die meiste Zeit ihres Fohlenlebens verbringen die Jungspunde auf den vorzüglich gepflegten Weiden. «Wir säubern die Koppeln täglich und -nehmen regelmässig Boden- und Kotproben, das gibt uns die Möglichkeit, jedes Pferd individuell zu füttern und Medikamente zu verabreichen, falls dies nötig ist», führt die Tierärztin aus. Als Allrounderin hat Mariann Kläy den Zuchtbetrieb von A bis Z im Griff und kümmert sich von der Buchhaltung über das Boxenmisten bis zur Auktionsvorbereitung um alles. So ist es nicht verwunderlich, dass ihre beeindruckende Arbeit belohnt wird.
Mariann und Schwester Kristin führen das von Vater Richard Kläy begonnene Lebenswerk fort und er dürfte mit Recht sehr stolz auf seine beiden Töchtern sein. Ausser Lilbourne Lad, der heute im Rathbarry-Gestüt neben seinem Vater Acclamation als Deckhengst wirkt, gingen bereits recht viele erfolgreiche Galopper aus der Swordlestown-Little-Zucht hervor. Zwei davon, Montalvo, im Training bei Hansjörg Speck, und Hashanar, der von Miro Weiss betreut wird, konnten ihre Entourage mittlerweile auch mit einigen Siegen.
Mariann Kläy verfolgt die Karrieren ihrer «Pferdekinder» und hofft, dass jedes auf seinem Lebensweg optimal betreut wird und gute Leistungen zeigt, die sie stolz machen. «Das ist der Lohn für meine Arbeit», lacht die Züchterin und erklärt: «Ein kleines Gestüt zu führen, ist eine schwierige Sache und überhaupt nicht rentabel, zumal wir hier in Irland, anders als in Frankreich, keine Züchterprämien für Gewinnsummen erhalten.» Glücklicherweise verfügen Mariann und Des, die 2012 mit dem begehrten ITBA-Award für kleine Züchter ausgezeichnet wurden, über eine Menge Erfahrung und Leidenschaft für die Vollblutzucht. Deshalb würden sie sich auch sehr über den Zuwachs von zwei Pensionärstuten freuen, um ihnen die idealen Voraussetzungen zur Aufzucht eines künftigen Rennbahnstars zu bieten. Welcher potenzielle Rennpferdebesitzer könnte diesem Angebot widerstehen? Bestimmt nicht beim Anblick der von Gesundheit strotzenden Absetzer, die wie ihr Papa Lilbourne Lad einige Jahre zuvor ihre Freiheit auf den riesigen, fruchtbaren Weiden Irlands geniessen.
Jeden Donnerstagabend erhalten Newsletter-Abonnentinnen und -Abonnenten
ausgewählte Artikel sowie die nächsten Veranstaltungen bequem per E-Mail geliefert.