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Salvador steht mit zwei Hufen im Schlachthaus. Der 5-jährige Wallach warf in seinem jungen Leben jeden seiner Reiter in den Staub. In zwei renommierten Ausbildungsbetrieben setzten professionelle Bereiter ihr ganzes Können ein, um dem Pferd das gefährliche Bocken abzugewöhnen. Und scheiterten. Jetzt steht der Fuchs seit vier Monaten bei Tiziana Realini (27) in Beritt. Die Schweizermeisterin 2006 und Vizemeisterin 2008 im Concours Complet sowie Olympiateilnehmerin 2008 in Hongkong sagt: «Wenn ich Salvador nicht mehr reiten wollte, würden ihn seine Besitzer zum Metzger bringen.» Grund genug, dieses Pferd abzuschreiben, hätte die Tessinerin. Denn auch sie hat schon in wenigen Wochen mehrmals die schmerzhafte Erfahrung gemacht, dass Salvador nicht aufhört zu bocken solange er die reiterliche Last auf seinem Rücken spürt. Und wenn der Wallach nicht bockt, dann wird das drahtige kleine Pferd zwischen den Sprüngen richtig schnell. So schnell, dass seine Reiterin nur noch hoffen kann, irgendwie heil durch den Parcours zu kommen. Aber die zierliche junge Frau gibt nicht auf: «Ich bin überzeugt, dass Salvador ein gutes Springpferd werden wird». Es sei für ihn bisher wohl alles etwas zu schnell gegangen: «Jetzt machen wir halt wieder ein paar Schritte zurück.» Dieser Entschluss hat Salvador und Tiziana Realini ins Engadin zum Pferdeflüsterer Urs Heer geführt.

Der falsche Ansatz

Natural-Horsemanship-Trainer Heer (47) und die ausgebildete Bereiterin Realini arbeiten seit 2008 zusammen. Die zwei führten bereits zwei Mal in St. Moritz gemeinsam ein einwöchiges Sportcamp für Reiter durch, dieses Jahr wird das dritte folgen. Urs Heer gibt den Teilnehmenden Lektionen in den Grundlagen von Natural Horsemanship (NHS) und Tiziana Realini unterrichtet wahlweise Dressur, Springen und Cross. Die beiden Profis sind überzeugt, dass sie gegenseitig viel voneinander profitieren können. «Prinzipien und Zweck gehören zusammen», sagt Heer. Zu viele Prinzipien, das heisst ein Zuviel an NHS, und zu wenig Zweck, also keine richtige Aufgabe, langweilten ein Pferd. «Zu viel Zweck und zu wenige Prinzipien aber zerstören es.» Da Pferde in der heutigen Zeit kaum noch als Arbeitstiere eingesetzt werden, ist Sport der naheliegendste Zweck. In diesem Bereich arbeiten die meisten Reiter aber mit einem falschen Ansatz, sind Heer und Realini überzeugt. «Sie glauben, dass sich das Pferd ändern müsse, wenn etwas nicht funktioniert», so Heer. «Dabei ist es der Mensch, der die Natur des Pferdes nicht versteht», fügt Realini an. Und beide sind der Meinung: Verstünde der Mensch die Natur des Pferdes, gäbe es keine so genannten Problempferde wie Salvador mehr. Dann könnten die meisten Unfälle vermieden werden. Seit 15 Jahren bringt Heer, ein gebürtiger Appenzeller, den Reitenden die Psychologie des Pferdes näher. Zuerst als Vier-Sterne-Parelli-Instruktor, seit 2008 in seiner eigenen Schule für Natural Horsemanship HETS in Champfèr GR (siehe Box rechts). Diese führt er gemeinsam mit seiner Frau Liz (51). Tiziana Realini begann vor vier Jahren in Losone TI mit Natural Horsemanship nach Pat Parelli zu arbeiten und hat bis Level 2 abgeschlossen.

Nur die Einfühlung bringts

In seinen Kursen vermittelt Urs Heer gleich zu Beginn, dass Training in erster Linie eine Kritik für das Pferd bedeutet. «Um zu überleben, muss das Beutetier Pferd flüchten oder kämpfen. » Hindere das «Raubtier Reiter» sein Pferd am Weggaloppieren oder fordere er es auf, seinem Druck nachzugeben, verlange der Mensch vom Pferd, gegen seine Natur zu handeln. Setze er dabei auch noch mechanische Hilfsmittel wie Ausbinder oder Schlaufzügel ein, «dann ist das theoretisch eine stille Vergewaltigung des Pferdes. Weil der Reiter ihm die eigene Perspektive aufzwingt statt sich in das Wesen des Pferdes einzufühlen». Was dabei herauskommen kann, zeigt das Beispiel von Salvador. «Die Leute glauben, Salvador sei ein frecher Kerl. Dabei folgt er nur seiner Natur.» Pferde wie er überlebten in der freien Wildbahn am längsten. «Ihr Verhalten ist von ihrer rechten Hirnhälfte, ihren Instinkten, geprägt », sagt Heer. «Geben sie diese auf, um nach menschlichem Verständnis zu funktionieren, sind ihre Tage in der Steppe gezählt.» Also müsse der Reiter für die Sicherheit seines Pferdes sorgen. Tue er dies nicht, werde das Tier extrem ängstlich – oder respektlos: «Salvador fühlte sich bis jetzt nicht sicher bei den Menschen», so Heer. «Rannte er los, zogen seine Reiter an den Zügeln, die Trense schmerzte das empfindliche Pferdemaul. Davon zeugen die harten Mundwinkel des Wallachs.» Traditionelle Reiter wollten gleich von Beginn an die Geschwindigkeit ihres Pferdes kontrollieren. Aber das mache keinen Sinn. Heer: «Ein Pferd wie Salvador muss selber herausfinden, dass er schneller müde wird, wenn er so galoppiert.» Also lässt der Pferdeflüsterer den Wallach laufen. Und zwar auf einer schneebedeckten Wiese in Champfèr, wo er und seine Frau wohnen. Das «Füchsli», wie Salvador von Heer und auch Realini liebevoll genannt wird, wirkt angespannt auf dem Weg vom Stall zur Wiese – bereit, jederzeit loszustürmen. Heer erklärt Realini, was sie und das Pferd nun tun sollen: Im kniehohen Schnee müssen die beiden die Form eines Kleeblatts abreiten. Salvador kann bei dieser Aufgabe so schnell laufen wie er will, seine Reiterin gibt lediglich die Form vor. «Im NHS nennen wir das eine kontrollierte Vorwärtsbewegung», sagt Heer. «Kopfloses Geradeausrennen wäre selbstverständlich viel zu gefährlich. » Anhalten darf «Füchsli» nur in der Mitte der Figur. Folgt er dort der Aufforderung von Realini nicht, geht es weiter – so lange, bis Salvador begriffen hat, dass Rennen müde macht.

Der lange Traum vom Reiten

Was an diesem strahlend schönen Wintertag wie vergnügtes Galoppieren im Schnee aussieht, ist in Wahrheit eine anspruchsvolle Aufgabe. Sie verlangt ausgezeichnetes reiterliches Können und eine gute Fitness. Denn Salvador galoppiert in horrendem Tempo Runde um Runde, der Schnee fliegt nach allen Seiten. Tiziana Realini meistert die Übung mit «Füchsli» scheinbar mühelos. Leicht und locker sitzt sie im Sattel. Dabei hat sie erst als 14-Jährige mit dem Reitsport begonnen: «Im Reitstall in Losone gab es keine Ponys, und weil ich so klein war, durfte ich erst auf einen Pferderücken steigen, als ich gross genug war.» Realini spricht Berndeutsch mit italienischem Akzent, was sich sehr charmant anhört. Nachdem der Teenager endlich in den Sattel steigen durfte, waren die Fortschritte schnell erkennbar: Zwei Jahre nach der ersten Reitstunde schenkten die Eltern ihrer Tochter den Wallach Gamour. Auf ihm machte die junge Frau alles, vom Brevet bis zur Lizenz, und ging mit ihm durch dick und dünn – bis Olympia 2008 in Hongkong. Heute steht der 17-jährige Crack mit Realinis anderen drei Pferden im Stall Glur in Münsingen BE. Dort haben auch Salvador und sieben weitere Pferde, die von Realini ausgebildet werden, ihr Zuhause. Sie selbst wohnt mit ihrem Freund Samuel (26) in einer Wohnung nebenan. Damit ist Realinis Traum Wirklichkeit geworden. «Ich wollte immer mit Pferden arbeiten», sagt sie. Inzwischen könne sie auf die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern verzichten, stehe endlich auf eigenen Füssen. Das erfüllt Realini mit Freude und Stolz. Doch dieses Leben, der Traum vieler Mädchen, hat seinen Preis: «Ich stehe von Montag bis Sonntag jeden Tag um halb sechs auf und gehe nachts etwa um elf wieder ins Bett», sagt die fleissige Tessinerin. Ihr Alltag besteht aus Ausmisten, Füttern, zwölf Pferde reiten und am Abend Reitschüler unterrichten. Das Argument mancher Berufskollegen, dass bei so viel Arbeit keine Zeit für Spielereien wie Natural Horsemanship übrig bleibe, will Tiziana Realini aber nicht gelten lassen. Sie ist überzeugt: «Eine gute Beziehung zu meinen Pferden erspart mir manche Trainingsstunde.» Ausserdem will sie nicht nur den Menschen, sondern auch den Tieren ein abwechslungsreiches Programm bieten. Die Ursachen für den teilweise schlechten Ruf der NHS-Methoden sind in den eigenen Reihen zu finden, sagt Urs Heer. Übrigens: Das System von Pat Parelli basiert auf vier L’s: Love, Language, Leadership und Lightness – Liebe, Verständnis und Führung bringen Leichtigkeit fürs Pferd. Heer gibt zu bedenken: «Viele Reiter praktizieren Love, Love, Love mit ihren Tieren, ein wenig Language und null Leadership – weil sie natürlich mit sanft verwechseln. Pferde sind aber nicht sanft miteinander, sondern sehr bestimmt.» Die Kunst sei es, bestimmt zu bleiben ohne zornig zu werden, sagt der Fachmann. Und wie kann er täglich mit gut zehn Pferden arbeiten, ohne die Prinzipien des Natural Horsemanship zu vernachlässigen? «Das geht nur, wenn ich mein Ego zur Seite schieben kann. Ich muss meinen eigenen Erfolgsdrang zurückstellen.» Eine Eigenschaft, die bei Profisportlern manchmal untergeht. Salvador hat sich inzwischen im Schnee ausgepowert. Seine Flanken heben und senken sich deutlich sichtbar, das Fell ist nassgeschwitzt. Seine Augen aber blicken ruhig und vertrauensvoll zu Tiziana Realini und die nervöse Energie, die am Anfang von diesem Pferd ausging, ist weg. «Füchsli» und seine Reiterin sind jetzt bereit für einen unbeschwerten Ausritt durch die Oberengadiner Winterlandschaft.

text Corina Hany

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