Beim Gang durch die Strassen kommt man nicht an ihnen vorbei: Nagelstudios. Wer aus einem davon herauskommt, hat gepflegte und starke Nägel. Da haben es die Pferde deutlich schwieriger. Ist der Huf erst ruiniert, ist es auch mit vielen Tricks und einem versierten Schmied oder Hufpfleger ein gutes Stück Arbeit, den Huf zu verbessern. Sind Elastizität und Härte des Hufes einmal verschwunden, ist es ein langwieriger Prozess, das Horn wieder zu verbessern. Denn im Huf werden ständig neue Zellen gebildet, und das Hufhorn wächst, ähnlich wie Haare und Fingernägel, ständig von oben nach unten nach. Dieser Vorgang zieht sich durch das ganze Pferdeleben. Innerhalb eines Monats wachsen an der Hufwand etwa acht bis 15 Millimeter Horn nach, an der Sohle sind es etwa fünf bis sechs Millimeter. Das heisst, der Huf erneuert sich innerhalb eines Jahres einmal komplett.
Welche Rolle die Haltung spielt
Bei schlechtem Hufwachstum kann die Runderneuerung auch anderthalb bis zwei Jahre dauern. Sohlenhorn und Strahl sind wegen ihrer geringen Stärke schon nach drei bis sechs Monaten komplett nachgewachsen. Die logische Folge: Damit die Hufe nicht zu lang werden, muss unten gekürzt werden, was oben nachschiebt. Das geschieht entweder durch natürlichen Abrieb oder durch entsprechende Bearbeitung des Hufes. Um die Hornqualität des Pferdes zu verbessern, gibt es zwei Möglichkeiten: einerseits die Durchblutung innerhalb des Hufes und andererseits die Nährstoffversorgung des Pferdes. Ein wichtiges Stichwort in diesem Zusammenhang ist der Hufmechanismus. Damit sind die Druckverhältnisse und die dadurch ausgelösten Bewegungsvorgänge gemeint, die beim Stehen und in der Bewegung entstehen. Der Wechsel von Be- und Entlastung wirkt wie eine Pumpe, die die Durchblutung im Huf fördert. Derjenige, der für ausreichend Bewegung seines Pferdes sorgt, sorgt gleichzeitig für das Hufhorn. Neben der aktiven Bewegung mit dem Reiter spielt natürlich auch die Haltung eine entscheidende Rolle. Boxenhaltung bedeutet zwangsläufig wenig Bewegung und Hufdurchblutung. Offenstall- und Gruppenauslaufhaltung fördern dagegen einen aktiven Hufmechanismus. Aber auch der Untergrund beeinflusst das Horn der Pferde. Die Hufe unserer Pferde sind für halbfeuchte Steppengebiete geeignet, denen sie entstammen. Bei unseren heutigen Pferden erfahren die Hufe allerdings häufig Extreme. Sowohl zu viel als auch zu wenig Feuchtigkeit schadet dem Horn. Normalerweise ist der äussere Teil des Hufes hart und dicht und hat einen Wasseranteil von etwa 20 Prozent. Die inneren Hornanteile und der Hufknorpel enthalten sogar bis zu 40 Prozent Wasser. Werden Pferde zu trocken gehalten, geht ein Teil der Feuchtigkeit von innen nach aussen verloren. Kommt dann noch Bewegungsmangel hinzu, werden die Probleme immens. Es kommt zu einer Verformung des Horns und einer Verminderung der Dehnbarkeit der inneren Hufanteile. Das bedeutet eine Störung des gesamten Hufmechanismus. Bei zu hohem Feuchtigkeitsgehalt verliert das Horn seine Festigkeit und seine Elastizität. Es wird weich und dehnt sich nach aussen auf. Dadurch verpufft der Hufmechanismus.
Was Huffett wirklich bringt
Immer wieder hört man von Reitern: Huffett löst Feuchtigkeitsprobleme, weil es die Elastizität zurück in den Huf bringt. Diese Behauptung stimmt nicht ganz. Das Huffett verhindert den Feuchtigkeitstransport in den Huf hinein, aber auch aus dem Huf heraus. Trockene Hufe direkt nach dem ausgiebigen Wässern der Füsse einzufetten kann je nach Haltungsform sinnvoll sein. Das Einfetten verhindert aber auch die natürliche Wasseraufnahme des Hufes, zum Beispiel auf taunassen Wiesen. Ganz gleich, welches Fachbuch zum Thema Hufe man aufschlägt, dass artgerechte Haltung mehr bringt als der Einsatz irgendwelcher Pflegemittelchen, darin sind sich alle einig. Eines der umstrittenen Mittel ist das Lorbeeröl, welches das gesunde Hufwachstum fördern soll. Die einen schwören darauf, die anderen halten es für Humbug. Meist wird damit der Kronrand, beziehungsweise das weisse Saumband etwa ein Mal pro Woche massiert. Unklar ist allerdings, ob positive Effekte wirklich aufgrund des Lorbeeröls selbst oder aufgrund der Massage eintreten. Das Massieren des Kronrandes regt die Durchblutung an, was möglicherweise das Wachstum fördert. Eine weitere Möglichkeit ist, dass das Lorbeeröl die Huflederhaut am Kronrand reizt und damit das Wachstum anregt. Vermutlich hat beides seinen Einfluss auf den Huf. Vor allem bei Pferden, die haltungsbedingt wenig Bewegung haben, ist es naheliegend, dass sie stärker auf die Massage ansprechen und schon allein deshalb eine sichtbare Wirkung erzielt werden kann. Aber nicht alle Hufprobleme lassen sich mit einem Mittelchen zur äusserlichen Anwendung beheben. Die beste Pflege nützt nichts, wenn dem Pferd die notwendigen Nährstoffe im Horn fehlen. Ein Mangel an bestimmten Vitaminen und Spurenelementen kann schlechte Hufqualität verursachen. «Einerseits spielt die bedarfsgerechte Versorgung mit allen notwendigen Mineralstoffen, Vitaminen und Nährstoffen eine wichtige Rolle. Andererseits müssen alle Stoffwechsel- und Verdauungsvorgänge reibungslos ablaufen, um eine Aufnahme der zugeführten Mineralstoffe, Vitamine und Nährstoffe und auch die Eigensynthese etwa von B-Vitaminen, vor allem Biotin, im Darm zu gewährleisten», erklärt die Futterexpertin Barbara Höck. Sie ist Produktmanagerin bei der Deutschen Tiernahrung Cremer GmbH & Co. KG und spezialisiert auf den Bereich Pferdefutter. Wer sich über Hornqualität informiert, stösst zwangsläufig auf Biotin. Es ist auch bekannt als Vitamin H. Das H steht dabei für Haut, Haar, Horn und Huf. Pferde bilden grundsätzlich im Dickdarm selber Biotin, daher sind Mangelerscheinungen in der Regel nicht zu erwarten. Aber auch ohne erkennbaren Biotinmangel können Verbesserungen durch Füttern von Biotin erwartet werden. Langzeitgaben können einen positiven Effekt auf die Hornqualität – also Härte, Zugfestigkeit, Dicke und Elastizität des Wandhorns – haben. «Sichtbare Ergebnisse sind aber frühesten nach fünf bis sechs Monaten zu erwarten. Und nur bei kontinuierlicher Gabe von mindestens drei Milligramm pro 100 Kilogramm Pferdemasse am Tag», so Barbara Höck.
Gut gewählt ist die halbe Miete
Ein häufiges Szenario in Ställen: Sind die Hufe schlecht, werden alle möglichen Hufpflegemittel und Futterzusätze wahllos ausprobiert. Diese Vorgehensweise ist teuer und zu zeitintensiv, als dass per Zufall auf das geeignete Produkt gestossen werden könnte. Fütterungsexpertin Barbara Höck warnt: «Eine blinde Ergänzung kann sich negativ auswirken und sogar zu einer Überversorgung führen, die wiederum die Verwertung anderer Mineralstoffe und Spurenelemente beeinträchtigen kann.» Es brauche ein grösseres Bewusstsein für eine tier- und bedarfsgerechte Fütterung. Die setzt in erster Linie bei der ausreichenden Versorgung mit hygienisch einwandfreiem Raufutter an und ist Grundvoraussetzung für eine reibungslose Verdauung. «Gezielte Zufütterung ist nur auf der Grundlage einer ernährungsphysiologisch korrekten, ausgewogenen Ernährung sinnvoll und wenn die klare Diagnose eines Mangels vorliegt», so Barbara Höck. Bevor man sich in grosse Kosten stürzt, ist die Futteranalyse eine sinnvolle Alternative. Damit wird klar, welche Vitamine, Mineralien oder Spurenelemente möglicherweise im Pferdefutter fehlen. Auch eine Blutuntersuchung beim Tierarzt kann helfen. Damit ist ein möglicher Mangel schnell erkannt, und es kann gezielt zugefüttert werden. Aber auch da ist überlegtes Handeln gefragt, denn viele vermeintliche «Mangelerscheinungen » rühren häufig ganz woanders her und können durch simple Ergänzung nicht so einfach wieder ausgeglichen werden. «Oft besteht primär gar kein Mangel, sondern werden die Resorption und Verwertung der Stoffe durch gestörte Verdauungsabläufe beeinträchtigt. Die ständige Zufuhr eines Stoffes bringt das gewünschte Verhältnis dann nur noch mehr durcheinander», erklärt Barbara Höck.
Die Folgen falscher Fütterung
Problematisch werde es, wenn man sich auf die alleinige Gabe von Spezialprodukten konzentriere, argumentiert Barbara Höck. «Statt nach der tatsächlichen Ursache zu forschen, wird mit einem geeigneten Präparat versucht, das Problem zu beseitigen», kritisiert die Pferdefutter- Spezialistin. Eine unzureichende Versorgung mit strukturierter Rohfaser wirkt sich negativ auf den gesamten Magen-Darm-Trakt aus. Wenn dann noch hohe Kraftfuttermengen hinzukommen, gerät das Darmgleichgewicht schnell aus dem Ruder, und die Gefahr von Erkrankungen im Magen-Darm- Trakt ist deutlich erhöht. «Die physiologischen Verdauungsvorgänge werden beeinflusst, der geregelte Nährstofftransport aus dem Darm ins Blut wird gestört, die Barrierefunktion der Darmwand wird geschwächt, und die mikrobielle Eigensynthese zum Beispiel von B-Vitaminen wie Biotin wird beeinträchtigt », erläutert Barbara Höck die eigentlichen Hintergründe. Die Folge: Mangelerscheinungen trotz ausreichender Versorgung mit Nährstoffen und Leistungsabfall des Pferdes. Die Problematik klingt kompliziert. Die Lösungsansätze dagegen scheinen banal. Aber mit einem Gang ins Nagelstudio oder eben zum Hufpfleger ist es nicht getan. Die Lösung muss in der Haltung und bei artgerechter Fütterung beginnen.
text Eva-Maria Recker
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