Selen ist ein Spurenelement, welches unsere Pferde täglich im Bereich von einzelnen Milligramm benötigen, damit es die Zellwände vor schädlichen Stoffwechselprodukten schützen kann. Ein Selenmangel manifestiert sich bei erwachsenen Pferden meist in Muskelproblemen, beispielsweise mit fehlender Bewegungsfreude in der Arbeit. Auch eine höhere Krankheitsanfälligkeit wird beschrieben. Schwerwiegend kann ein Selenmangel für Zuchtstuten, vor allem aber für die von deren Milch abhängigen Saugfohlen sein.
Je nach Bodenverhältnissen und Pflanzenbestand ist der Selengehalt im Grundfutter in unseren Breitengraden manchmal tatsächlich knapp. Dies sollte aber keinesfalls dazu verleiten, den Pferden «sicherheitshalber» und ohne vorgängige Abklärung Selen zuzufüttern, denn wie bei keinem zweiten Mineralstoff ist der Grat zwischen einem Mangel und einer Überversorgung schmal! Heikel ist auch die Verabreichung mehrerer unterschiedlicher Futterzusätze, denn enthalten mehrere Selen, wirkt dies kumulativ und kann eine Vergiftung bewirken.
Die Interpretation von Selengehaltswerten im Blut ist ebenfalls schwierig, Forschungsergebnisse und Empfehlungen zeigen ein uneinheitliches Bild. Ein Grund dafür ist der Umstand, dass das für die Pferde wichtige Selen im Gewebe vorhanden ist und nicht im Blut. Ein tiefer Blutwert heisst also nicht zwangsläufig, dass auch zu wenig Selen im Gewebe vorhanden ist, darüber müsste eine Biopsie Aufschluss geben.
Zu diesen Fakten kommt erschwerend hinzu, dass das Selen an verschiedene andere Mineralstoffe und vor allem an Vitamin E gekoppelt ist. Aus diesem Grund sollte immer ein Futterzusatz gewählt werden, welcher Selen und Vitamin E enthält, will man einen effektiv vorhandenen Mangel beheben. Aber auch der Gehalt an Zink und Mangan beeinflusst den Selengehalt: Ein Mangel an diesen Spurenelementen lässt den Selenwert in den Keller sinken.
Was heisst dies nun für die Praxis? Ist der diagnostizierte Selenmangel ein Zufallsbefund, ohne dass die Pferde Symptome zeigen, würde ich ihm wenig Beachtung schenken. Ist die Ration grundsätzlich ausgeglichen, die Raufutterqualität gut und der Mineralstoffbedarf über einen normalen Zusatz beziehungsweise die angegebene Dosis Mischfutter gedeckt, ist keine Änderung im Menüplan angezeigt. Selbstverständlich müssen die Tiere im Auge behalten werden, vor allem was ihren Einsatz in der Arbeit betrifft. Eventuell kann eine weitere Blutprobe in einigen Monaten ins Auge gefasst werden.
Anders sieht es natürlich aus, wenn die Blutprobe aufgrund von Ungereimtheiten im Gesundheitszustand des Pferdes gemacht wurde. In diesem Fall ist es sinnvoll, ein Selen-/Vitamin-E-Präparat zuzusetzen. Wenn möglich sollte dann auf weitere Futterzusätze verzichtet werden (abgesehen vom normalen Mineralstoff). Auch was die Dosierung des Zusatzes betrifft, würde ich nicht mit der gesamten empfohlenen Menge beginnen, sondern etwa mit der Hälfte. Ist keine Besserung erkennbar, kann sukzessive auf die vorgeschlagene Dosis erhöht werden. Jedoch keinesfalls den empfohlenen Wert überschreiten! Tritt ein gewünschter Effekt auf, kann man die Kur zu Ende füttern. Anschliessend ist eine Gabepause empfohlen, in welcher beobachtet wird, wie sich der Zustand des Pferdes verändert. Unter Umständen ist der Mangel durch die vorübergehende zusätzliche Gabe langfristig behoben, dann sollte von einer erneuten Fütterung abgesehen werden. Treten hingegen die Symptome wieder auf, würde ich mich für eine permanente Zufütterung entscheiden.
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