Im Anschluss an die wissenschaftlichen Präsentationen im Rahmen der 1. Pferdetage Baden-Württemberg in der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen wurden die theoretischen Erörterungen mit praktischen Demonstrationen im Gestüt Marbach ergänzt. Diese richteten sich vor allem auf die Bedeutung der Durchlässigkeit des Pferdes aus, die als unabdingbare Grundlage für dessen tiergerechte Nutzung gilt. Und zwar nicht nur im Reitsport, wo man dem Begriff Durchlässigkeit oft begegnet. Durchlässigkeit sei das oberste Ziel, wurde gar bei der Ausbildung von Arbeitspferden angegeben. Besonders warm ums Herz wurde es einem bei der Präsentation von Christel Erz mit ihren Schwarzwälder Kaltblütern, vor allem beim Rücken von Holz. Für diese anspruchsvolle Arbeit bedarf es nach ihrer Ansicht für die Ausbildung der Pferde vier Jahre und daneben auch fundierte Aus- und Weiterbildung des Menschen. Diese hohen Anforderungen ans Pferd begründet sie damit, dass die gewünschte Durchlässigkeit und Arbeitsfähigkeit über mehrere Stunden im Tag erhalten bleiben muss. Dabei erachtet sie die Durchlässigkeit als das wichtigste Ziel der Ausbildung, weil sie bei jedem Einsatz vorhanden sein muss. Nur auf diese Weise kann ein sicherer Arbeitsablauf gewährleistet werden, zu welchem nicht nur das ruhige Anziehen, Vorwärtsgehen, Abwenden an Ort und Stelle, sondern auch das zuverlässige Stehenbleiben gehören. Die Mitarbeit und Zuverlässigkeit der Pferde sind auch darum von essenzieller Bedeutung, weil bei der Arbeit im Wald vom Boden aus gefahren wird und sich der Fahrer sowohl auf die eigene Sicherheit als auch auf die zu erledigende Arbeit konzentrieren muss. Dies hat zur Folge, dass nur noch etwa ein Drittel der Aufmerksamkeit auf das Arbeitspferd gerichtet sein kann. Dieses muss selber leistungs- und reaktionsbereit sein, das heisst, es muss eine schwere Last ziehen und gleichzeitig jeden Augenblick bereit sein, neue Kommandos umzusetzen. Es blieb aber nicht bei solch theoretischen Erläuterungen und es war grossartig miterleben zu können, wie der Kaltblüter mit grösster Aufmerksamkeit nur gerade auf Hüst- und Hott-Kommandos einen Baumstamm durch die verschiedenen Hindernisse rückte.
Arbeitspferde sind keine Nostalgie
Nachdrücklich wurde festgehalten, dass die Vorführungen der Zugpferde nicht etwa als nostalgische Reminiszenz für Ewiggestrige gelten sollen, sondern vielmehr darauf hinweisen wollen, Equiden in Zukunft wieder als gültige alternative Zugkraft zu erachten. Wegen der aktuellen Herausforderungen in der europäischen Landwirtschaft, vor allem bezüglich der Energie- und Klimapolitik und der Schonung von Ressourcen, kann und darf ihr Einsatz nicht als rückständig und technisch überholt gewertet werden. Arbeitspferde sind ja unabhängig von fossilen Brennstoffen und klimaneutral (sie übertreffen CO2-Ziele), erneuern lokale Bio-Energie, reproduzieren lokal, bedürfen nur eines geringen Kapitalaufwands und können in natürliche Bewirtschaftungskreisläufe und regionale Wertschöpfungsketten eingebunden werden. Equiden sind bezüglich der Energie auch eine erneuerbare Quelle, haben eine höhere Effizienz und sind von überaus gros-ser Bedeutung für den Schutz der Bodenfruchtbarkeit. Zugtiere schädigen weder das Porenvolumen noch Mikroorganismen, Regenwürmer und die Bildung von Humus im Boden, womit Staunässe, abnehmender Bodenfruchtbarkeit, Wachstumshemmung und Ertragsrückgang vorgebeugt wird. Mit dem Arbeitspferd können auch agrarökologische Modelle unterstützt werden und weiter entsprechen solch konviviale Technologien auch Visionen der Agrarreform der EU (zum Beispiel Ökologisierungsauflagen bei Direktzahlungen) und dem Ziel der nachhaltigen Sicherung der Fruchtbarkeit und Leistungsfähigkeit des Bodens gemäss des BonaRes-Programms vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (Herold und Grosswiele).
Auf reiterliche Hilfen reagieren
Was unter Durchlässigkeit im Reitsport zu verstehen ist, wurde mit zwei Hengsten mit unterschiedlichen Ausbildungsstadien in der Dressur und mit einem Springpferd vorgeführt. Gemäss dem Referenten Martin Plewa beschreibt die klassische Reitlehre
die Durchlässigkeit des Pferdes als den Zustand, in dem das Pferd seinem -Ausbildungsstand entsprechend alle Punkte der «Skala der Ausbildung» erfüllt und willig auf das Wechselspiel der reiterlichen Hilfen reagiert. Somit wurde auch klargestellt, dass dies für jegliche Nutzung des Pferdes gilt, da sie sich an der Natur des Pferdes orientiert. Damit wurde auch der Übergang geschaffen zu Vorstellungen in anderen Disziplinen und Nutzungen. Diese betrafen die Arbeit mit dem Isländer, dem Western-, Therapie-, Fahr-, Arbeits- und Polizeipferd. Beim Isländer wurde überdies davon gesprochen, dass sich die körperliche Durchlässigkeit gleichzeitig mit der mentalen entwickelt, weniger überzeugend hingegen tönte die Ansicht, dass man im Westernsport «durch Lässigkeit» zum Ziel kommen könne. Beim Therapiepferd wurde bestens verständlich dargestellt, dass die erwünschte Wirkung der optimalen Bewegungsübertragung nur mit einem gut ausgebildeten Tier möglich ist. Lediglich beim durchlässigen Pferd mit schwingendem Rücken ist die Übertragung der dreidimensionalen Schrittbewegung vom Pferd auf den Patienten möglich. Beim Arbeitspferd wurde sogar darauf hingewiesen, dass das Erreichen der Durchlässigkeit das wichtigste Ziel der Ausbildung ist, was sowohl bei dessen Vorführung (Holzrücken und schwerer Zug) wie bei jener der Polizeipferde höchst überzeugend zum Ausdruck kam. Bei beiden Präsentationen war vor allem die mentale Durchlässigkeit der Tiere geradezu verblüffend. Gemäss dem Leiter der Polizeireiterstaffel Stuttgart (Sämann) werden ihre Dienstpferde auf der Basis der klassischen Reitlehre ausgebildet, die aber auch neue und vor allem dem Wohl des Pferdes dienende Elemente beinhaltet.
Ausbildung von Fahrpferden
Eine Equipe aus Bayern unter der Leitung von Karl-Heinz Geiger demonstrierte in grösster Ruhe und mit prächtigen Warmblütern die Ausbildung des halfterführigen Pferdes zum Fahrpferd: Diese beginnt mit der Arbeit an der Longe und dann an der Doppellonge, mit dem Anziehen einer Schleppe, dem Angewöhnen an Schleifgeräusche und führt schliesslich zum ein- und zweispännigen Anspannen. Das Pferd soll zunächst an die Stimme seines Ausbildners gewöhnt werden und die Angst vor Longe, Peitsche und ungewohnte Berührungen durch die Zugstrangen verlieren. Klare Kommandos muss es verstehen und befolgen lernen. Beim Anlernen zum Fahren ist eine systematische Ausbildung unabdingbar und im Vordergrund stehen auf alle Fälle die Sicherheit, Zweckmässigkeit und Pferdeschonung. Das Einfahren eines Pferdes sollte nur von Fachpersonal durchgeführt werden, weil Ausbildungsfehler ganz erheblich den weiteren fahrerischen Werdegang eines Fahrpferdes prägen und häufig unwiderruflich sind.
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