Bei Pferdekontrollen wurde weiter festgestellt, dass die Reithalfter zu eng und die Backenstücke zu kurz geschnallt waren. Einige Reithalfter waren wegen exzessiv enger Verschnallung nur sehr schwer zu öffnen, nach Öffnen der Verschlussschnalle war in der Riemenlage eine deutliche Kompression des Gewebes sichtbar. Durch zu kurz verschnallte Backenstücke wurden die Gebisse (Mundstücke) übermässig hochgezogen, mit der Folge einer massiven Faltenbildung an den Maulwinkeln.
- Einige Reiter wehrten sich massiv und mit Beleidigungen gegen die angeordneten Pferdekontrollen;
- bei schlimmer Verletzung an den Maulwinkeln zeigte sich der Reiter uneinsichtig;
- bei Startverbot wegen Ulzera (Substanzdefekt) im Maul mussten sich Richter und Turniertierarzt rechtfertigen;
- Reiter hielt Kontrolle für dilettantisch mit der Begründung, die Verschnallung des Reithalfters werde «seitlich an den weichen Nasenanteilen und nicht über dem Nasenrücken gemessen» – also eine völlig falsche Beurteilung.
«Zu enge» Reithalfter und «zu kurze» Backenstücke sind nicht richtlinienkonform und stehen damit den Bestimmungen der Deutschen Reiterlichen Vereinigung e.V. (FN) entgegen: Die FN gibt zum einen in den «Richtlinien für Reiten und Fahren» eine sichere Orientierung zur Ausrüstung und deren Anwendung bei Pferden vor und weist zum anderen in ihrem Regelwerk für den Turniersport darauf hin, dass die Richtlinien für Reiten und Fahren für «alle, die an Turnieren teilnehmen» ebenso verbindlich sind wie die LPO selbst. Im Kapitel «Ausrüstung von Teilnehmern und Pferden» enthält die LPO darüber hinaus disziplinspezifisch unterschiedliche Vorbemerkungen zu den entsprechenden Paragrafen. Diese sind inhaltlich zusammengefasst in der Verpflichtung (LPO § 6.2): «Die Ausrüstung der Pferde und der Teilnehmer (…) muss den Regeln der jeweiligen Reit-, Fahr- und Voltigierlehre sowie den Grundsätzen … des Tierschutzes … entsprechen.»
Eine der Wirkungen von Gebiss und Zäumung ist der Zug auf die Maulwinkel. Hier treten, wie oben berichtet, die meisten Beanstandungen auf. Wie Messungen gezeigt haben (u.a. Dullenkopf 2013), differiert die Länge der Maulspalte des Pferdes in verschiedenen «Situationen» erheblich. Die situationsbedingt unterschiedlichen Längen der Maulspalte in Verhältniszahlen sind:
- 100 Länge der «naturbelassenen» Maulspalte, Pferd nur mit Stallhalfter;
- 140 Länge der Maulspalte bei regelkonformer Zäumung mit doppelt gebrochener Trense und hingegebenen Zügeln;
- 165 Länge der Maulspalte bei regelkonformer Zäumung mit doppelt gebrochener Trense und aufgenommenen Zügeln.
- In nuchaler Richtung (nackenwärts) wirkt beim aufgezäumten Pferd mit hingegebenen Zügeln ein mässiger Zug auf die Maulwinkel durch das Gebiss (daher Faltenbildung, der Zug ist von der Länge der Backenstücke abhängig, er ist permanent).
- Durch Aufnehmen der Zügel wird der Zug auf die Maulwinkel nacken- und ladenwärts verstärkt (weitere Verlängerung der Maulspalte), weiter gestresst werden die Maulwinkel «naturgemäss» durch die vom Reiter gegebenen, häufig variierenden Zügelhilfen.
- Sind oben angeführte Voraussetzungen bezüglich Zäumung und Hilfen nicht gegeben, werden die Maulwinkel vermehrt Verletzungsgefahren ausgesetzt:
- Schadhaftes Equipment, zu eng verschnallte Reithalfter, zu kurz gehaltene Backenstücke, dazu regelwidrige Handeinwirkung wie permanent starker Zug am Zügel, «riegelnde» Zügelhilfen usw. sind schon je für sich alleine, vor allem aber im Verein geeignet, am Maulwinkel Schäden zu verursachen.
Beratung als mögliche -Prophylaxe
Die Konsequenz aus den überproportional häufigen Beanstandungen am oder im Pferdemaul bei den Pferdekontrollen kann nur in einer Erhöhung der Zahl der Pferdekontrollen bestehen. Dabei sollten die Beanstandungen stets mit einer kompetenten Beratung verbunden sein, um bei den Teilnehmern (Reitern, Fahrern) Verständnis zu erwecken und eventuell eine nachhaltige Wirkung zu erzielen. Voraussetzung hierfür ist die eindeutige, der Zuständigkeit von Turnierrichter und Turniertierarzt entsprechende Aufgabenverteilung:
- Richter und Turniertierarzt kontrollieren die Verschnallung der Zäumung (zu enge Kinn- und Sperrriemen sowie zu kurze Backenstücke, eventuell Tierschutzrelevanz);
- Turniertierarzt kontrolliert Bereiche der Gebiss-, Kinn- sowie Sperrriemenlage usw. auf Läsionen.
Eine wirksame Prophylaxe können Tierärzte betreiben, indem sie in der täglichen Praxis bei Zahnsanierungen im Maulbereich auch auf Verletzungen sowie Narben achten und entsprechend beraten.
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